Karl Laureck

Karl Laureck hatte die Apotheke vom Apotheker Dr. August Schröter gekauft, welcher die Apotheke von seiner Mutter erwarb und zwanzig Jahre musterhaft geführt hatte. Erst ein intensives Aktenstudium erschloss die hervorragende Tätigkeit dieses Apothekers für die Apotheke und den unermüdlichen und selbstlosen Einsatz in standespolitischen Fragen.
Karl Laureck wurde am 11.9.1870 in Ahrweiler als Sohn des Kreisschulinspektors Dr. Carl Heinrich Laureck und seiner Frau Maria, geb. Huom, geboren. Das Schulabschlußzeugnis vom 12. März 1887 bestätigt die Reife für die Obersekunda, also die sogenannte Mittlere Reife. Mit diesem Zeugnis konnte Karl Laureck die Ausbildung als Apotheker beginnen. Am 1.4.1887 trat er als Praktikant in die Apotheke Clausthal ein, von deren fabrikationsmäßiger Defektur er viel Interessantes zu erzählen wußte. Nach der bestandenen Gehilfenprüfung im März 1890 kehrte er in seine Heimatstadt Höxter zurück, erfüllte seine Wehrpflicht und schloß eine weitere praktische Ausbildungszeit in Aachen, Höxter und Hannover an. Er studierte ab April 1893 in Göttingen und bestand sein Staatsexamen im November 1894 mit „gut“. Anschließend war er tätig in Höxter von 1894 bis 1895 und in Hildesheim von 1895 bis 1904. Er erhielt seine Approbation am 9. November 1894, am 27. April 1896 wurde er vor dem Magistrat der Stadt Hildesheim vereidigt.
Am 20.9.1904 heiratete er die Kaufmannstochter Karoline
Dittrich aus Bremen. Diese war über ihre Mutter, eine geborene
Pelizaeus, mit der Familie Pelizaeus aus Hildesheim verwandt.
So hat Karl Laureck sie wohl in Hildesheim kennen gelernt. Ihr
berühmter Verwandter, der Archäologe und Konsul in Kairo
Wilhelm Pelizaeus richtete nach legendären Ausgrabungen die
ägyptische Abteilung des Römer-Pelizaeus-Museums in Hildesheim
ein.
Die Hochzeit fand in der Kreuzkirche in Hildesheim statt.
Am 22. August 1904 teilte Karl Laureck der Regierung in Münster
mit, daß er die Schrötersche Apotheke in Steinfurt gekauft habe
und bat um die Übertragung der Konzession. Den Erlaubnisschein
zum Betrieb der Schröterschen Apotheke erhielt er am 27.
September 1904. Daraufhin wurde das Grundstück am 30. September
1904 von Apotheker Dr. Schröter aufgelassen, Karl Laureck
übernahm die ElefantenApotheke am 1. Oktober 1904 und wurde am
7. Oktober 1904 als Grundeigentümer ins Kataster eingetragen.
Am 18. Oktober 1904 wurde er als neuer Eigentümer ins Grundbuch
der Stadt Burgsteinfurt eingetragen.
Der Kaufpreis für die Apotheke und die Grundstücke mit übrigen
Gebäuden war hoch. Es war aber auch ein stattliches Anwesen,
das Karl Laureck nun sein Eigen nennen konnte.
Andererseits wurde häufig für das Apothekenrecht eine sehr hohe
Summe gezahlt, so daß die Regierung darauf aufmerksam wurde und
Mäßigung anmahnte. Der Umfang der Transaktion wird durch die
Belastungen deutlich:
1905 hatte Karl Laureck eine Schuld von 100.000,-Mark bei Frau
Witwe Schröter, die zu 4% verzinst wurde. Bei Apotheker Dr.
Schröter hatte er 90.000,-M. Schulden, die ebenfalls zu 4%
verzinst wurden. Von seiner Schwiegermutter Frau Dittrich
erhielt er eine „Starthilfe“ von 80.000,-M., die zu 2,5%
verzinst wurde. Da das Geschäftsergebnis bei ca. 17.000,-M. lag
und davon fast 10.000,-M. Zinsen und Tilgung zu zahlen waren,
blieben nur ungefähr 7.000,-M. für alle anderen
Lebensunterhaltungskosten übrig. Die Regierung in Berlin
schrieb in einem Rundschreiben an die Landratsämter am
25.4.1903, „bin auch ich der Ansicht, daß ein Reingewinn von
4.000,-Mark für das Bestehen einer neuen Apotheke hinreicht“.
Schon 1905 wurde die Investition fraglich, als die Regierung eine Anfrage erhielt und auch an die Kreisärzte weiterreichte, ob in Burgsteinfurt eine zweite Apotheke etabliert werden könne. Dieses Gesuch wurde abgelehnt mit dem interessanten Argument: „Der jetzige Besitzer hat einen hohen Preis bezahlt“ und würde den nicht amortisieren können.
Die Stadt Burgsteinfurt hatte damals 5200 Einwohner, das Amt 1453, Leer 1222, Wettringen 2500 und Metelen 2080. Das Einzugsgebiet war also einträglich. Bis 1915 war eine Schuld von 40.000,-M. bei Apotheker Dr. Schröter getilgt. Die Inflationszeit nutzte Karl Laureck dann geschickt, um von seinen Schulden durch Sonderzahlungen befreit zu werden. Die Schuld von 80.000,-M. bei Frau Dittrich ging 1920 als Erbe an seine eigene Frau über, nachdem die Schwiegermutter 1917 gestorben war. Diese Schuld konnte also von Anfang an als vorweggenommenes Erbe betrachtet werden.
Ein Teilbetrag der 100.000,-M. Schuld von Witwe Schröter in Höhe von 30.000,-M. wurde am 9. Sept. 1924 im Grundbuch gelöscht, war also schon getilgt, so dass in der Bilanzsumme vom 31.12.1924 noch 70.000,-M. Schuld von Dr. Schröter standen, die dieser vermutlich von seiner Mutter übernommen hatte.
Auf der Vermögensbildungsseite hatte Karl Laureck bis 1925 ein Vermögen von ca. 10.000,-M. gebildet, welches aber wohl zum Teil ererbt war, da es ihm aus seinen Betriebseinnahmen schon sehr schwer fiel, alle Belastungen durch Steuern und öffentliche Anleihen, die im Laufe des ersten Weltkrieges und ebenfalls nach dem Kriege immer mehr anstiegen zu tilgen, was z.B. zu Stundungsanträgen führte.
Karl Laureck übernahm von seinem Vorgänger einen approbierten
Mitarbeiter, namens Stabilinski, der seit dem 1.Juli 1902 bei
Herrn Schröter arbeitete. Er blieb bis zum 30.6. 1905 und ging
dann nach Altenberge. Im Verzeichnis der Apotheken des Kreises
Steinfurt von 1918 ist kein Mitarbeiter für die
Elefanten-Apotheke erwähnt, ob es einfach vergessen worden ist,
vorhandene Mitarbeiter aufzuführen, oder ob es wegen der
Kriegsjahre und der anschließenden schlechten Geschäftslage
nicht möglich war, qualifizierte Mitarbeiter zu beschäftigen,
ist nicht mehr feststellbar.
Die von Karl Laureck geführte Elefanten-Apotheke wurde bei
allen Revisionen in einem „sehr befriedigenden“ Zustand
angetroffen und nur minimale Mängel festgestellt. Die
Revisionen fanden statt am 20. Juni 1918, am 2. April 1921, am
6. Mai 1926, am 23. Sept. 1929, am 19. Juni 1933 und am 2. März
1938.
Wir zitieren einen Revisionsbericht: „Der Zustand Ihrer Apotheke war ein sehr guter. Ich spreche Ihnen gerne meine Anerkennung aus.“
Wie schon geschildert, gehörte zum Einzugsgebiet der Elefanten-Apotheke auch der Nachbarort Metelen. Die Lieferung der Medikamente nach Metelen war gut organisiert. Ein Fuhrunternehmer, der „Bote Mensing“, fuhr mit seinem Pferdewagen und den Rezepten des dortigen Arztes, zunächst Dr. Hüntemann, später Dr. Berentzen, nach Burgsteinfurt und gab die Rezepte in der Apotheke ab. Dort wurden die Rezepte bearbeitet, und der Bote Mensing holte am nächsten Tage die fertigen Medikamente ab und brachte sie zur Verteilung nach Metelen. Später beförderte die neu gebaute Eisenbahn, der „Pängel-Anton“ die Rezepte nach Burgsteinfurt, sie wurden dort vom Apothekenpersonal abgeholt, über Nacht fertiggestellt und am nächsten Morgen ging der Korb mit den Medikamenten wieder nach Metelen, wo die Patienten sie beim Boten Mensing abholen konnten.
Übrigens nahm Karl Laureck auf Anweisung des Landrates an den Revisionen der Drogenhandlungen in Metelen im Jahre 1906 und vorher teil, später hat er wohl keine Zeit mehr dazu gehabt, da es nur den Beleg bis 1906 gibt.

Karl Laureck nahm auf Grund der sich nach 1930 bessernden
Wirtschaftslage und der guten Entwicklung seiner Apotheke viele
bauliche Veränderungen vor. So verlegte er 1911 den
Treppenaufgang, wodurch viele unschöne Ecken, Winkel und Stufen
verschwanden und baute eine Zentralheizung ein.
1935 erweiterte er das Obergeschoß durch Aufziehen der
Seitenwände und Umbau des Inneren sowie Aufsetzen eines anderen
Daches. Ferner ließ er ein modernes 2,50 m großes und
beleuchtetes Transparent an der Front anbringen.
1936 wurde das Haus Wippert 11 abgerissen und an dessen Stelle
zwei Garagen gebaut. Die motorisierte Zukunft mit dem
„Volkswagen“ konnte beginnen! (Der mußte dann aber noch lange
warten, der zweite Weltkrieg kam dazwischen). 1938/39 baute er
eine neue Offizin in die Räume des Privatkontors rechts vom
Eingangsfur unter teilweiser Hinzunahme des Mitarbeiter-Zimmers
dahinter. Schreinermeister Bernhard Hülsey, Lindenstraße 50
schuf eine herrliche Nußbaumeinrichtung mit vielen
geschliffenen Glasschränken.
Während im Jahre 1936 (am 13.2.36) ein Mitarbeiter Erich Weitler, geb. am 29.10.1902 in Kassel erwähnt wird, hatte Karl Laureck seit 1937 tatkräftige Hilfe von seinem Schweigersohn Paul Gustav Rose, der mit seiner Familie von Kassel nach Burgsteinfurt zog, sowie von der Apothekerin Frau Margarethe Döhrmann.
Frau Döhrmann wurde am 27.1.1907 geboren als Pfarrerstochter in Gronau. Sie trat in die Elefanten-Apotheke am 1.7.1935 ein und diente ihr bis zum 30.6.1967. Sie starb im Jubiläumsjahr am 15.4.2000 im Augustinum in Dortmund, wo sie ihren Ruhestand verlebt hatte. Sie war eine engagierte, loyale, couragefreie Mitarbeiterin, die, kompetent und leistungsfreudig, ein Vorbild für alle Mitarbeiter war. Als Beispiel für ihr Pflichtbewußtsein möge eine kleine Episode aus den letzten Kriegstagen dienen: Frau Döhrmann war zu Hause in Gronau, als die Stadt eingenommen wurde. Um zu ihrer Arbeitsstelle nach Burgsteinfurt zu kommen, fuhr sie mit dem Fahrrad in Richtung Burgsteinfurt. Die Front durchquerte sie mit dem Argument, dass sie zur Arbeit nach Burgsteinfurt müsse, worauf man sie ungehindert passieren ließ.
Nun wurde ein neuer Dachbau geplant, die Dachziegel lagen schon bereit, da machte ein furchtbarer Brandbombenangriff am 22. März 1945 alles zunichte. Haus und Einrichtung verbrannten, die Wasserleitung gab kein Wasser, so mußte sich der 74-jährige Apotheker Laureck darauf beschränken, das Nötigste aus der Apotheke vor der Phosphorglut zu retten, die sogleich vom Boden in den Mittelstock herablief. Einzelne Schrankteile, einige alte Standgefäße sowie die unersetzliche Haustür konnten mit Hilfe der im Lazarett liegenden leichtverwundeten Soldaten gerettet werden. Über diesen furchtbaren Tag schrieb Karl Laureck:
„Am 22. März 1945 – 8 Tage vor dem Einmarsch der Engländer in
unsere Stadt- fand ein Luftangriff mit Brand- und Sprengbomben
auf unsere Stadt statt. Ich kam 3/4 5 nachmittags gerade von
der Post. Die Luft war unruhig, so daß ich sofort meine
Apotheke zuschloß und meiner Gehilfin zurief ’schnell, sofort
in unseren Gewölbekeller‘ (Haus in meinem Garten).
Kaum angelangt, da fielen Sprengbomben und vor dem Keller ein
ganzes Bündel Brandbomben. Ich sofort heraus aus dem Keller, um
zu sehen, wie es mit der Apotheke stand.
Der Keller des alten Apothekenspeichers bot Karl Laureck und seinen Mitarbeitern während der Bombenangriffe Schutz.
Da sah ich, daß aus dem Dach Rauch empor stieg und meine
Nebengebäude bereits brannten. Ich lief so schnell ich konnte
auf den Boden, um zu löschen, sah aber sofort, daß da nichts zu
machen war, der ganze große Dachboden war ein Flammenmeer,
Phosphor floß brennend umher und fraß sich durch die Decken.
Ich besaß ein altes Haus ohne Betondecken. Jetzt hieß es,
retten, was man retten konnte, auch mein Leben. Wie ich vom
Boden herunter kam, da mußte ich durch die brennende Küche. Im
Schlafzimmer floß Phosphor durch die Decke in die Betten, ich
konnte nur aus dem Kleiderschrank einen Arm voll Garderobe
nehmen und aus dem Fenster werfen. Wie ich ins Esszimmer kam,
da brannte die Tischdecke, die Tapeten, das Klavier usw., also
raus. Ich mußte runter, um aus der Apotheke etwas zu retten.
Die Standgefäße und die Schubladen konnte ich mit Hilfe von
einigen verwundeten Soldaten auf die Straße setzen, dann war
nichts mehr zu retten.
Ich verlor alles, mir blieb von dem schönen Geschäft nichts,
gar nichts, kein Gerät, nichts, was man in seinem Leben mit
großer Liebe aufgebaut hatte. Mit dem Geschäft ging auch aller
Hausrat verloren, ich behielt nichts, kein Bett, kein Stuhl,
kein Tisch, keine Tasse, kein Teller, alles, alles ging
verloren. Ich musste von der Straße aus zusehen, wie mein Hab‘
und Gut in einer Stunde verbrannte.
Ich habe mich sofort um Wiederaufbau bemüht, bis jetzt ohne Erfolg, trotzdem die Stadt und Gesundheitsamt dringendst den Antrag befürwortete. Die Sparkasse will den Bau finanzieren, ich bekomme ja keinen Pfennig vom Staat für alles, was ich verloren, im Gegenteil, das Finanzamt zieht Gewinnabführung aus dem Jahre 1944 ein, dabei habe ich ‚Anspruch an den Staat.‘
Zu den übermenschlichen Leistungen während zweier Weltkriege mit unvorstellbarer Arbeitslast kam nun dieser furchtbare Zusammenbruch. Ganz allein stand er vor den Trümmern, da der Schwiegersohn Paul Gustav Rose fern der Heimat als Heeresapotheker tätig war und seine Tochter Hildegard mit ihren vier Söhnen in die Mark Brandenburg geflüchtet war, von wo sie erst nach vielen Mühen im September 1945 zurückkehren konnten.
Am 25.4.1945 schrieb Karl Laureck an den Bürgermeister:
„Die mir zur Verfügung gestellten Räume im Hause Steinstr. 16
reichen nicht aus, um einen Apothekenbetrieb, auch nur
behelfsmäßig zu errichten, es fehlen ein Vorratsraum und ein
Keller. Diese beiden Räume sind zu beschaffen in dem Hause der
Witwe des Schreinermeisters Kolthoff, Lindenstr. 73. Ich bitte
mir diese beiden Räume und zwar den von der Westf. Tageszeitung
benutzten Raum und einen Keller zur Verfügung zu stellen.“
Und doch sann Karl Laureck sofort auf Wiederaufbau.
So schrieb er schon am 5. Juni 1945 einen Brief an den Landrat
in Burgsteinfurt durch den Herrn Bürgermeister, übrigens in
deutscher und englischer Sprache, wegen der Besetzung des Ortes
durch die britische Armee:
„bett. Wiederaufbau der Apotheke in Burgsteinfurt, Steinstrasse
32.
Alle meine Bemühungen, für meine zerstörte Apotheke geeignete
Ersatzräume zu finden, um behelfsmäßig den Apothekenbetrieb
wieder aufzunehmen, blieben bisher vergebens. Auch die
Übernahme der Lazarettapotheke stellt nur eine Notlösung dar,
welche möglichst schnell beseitigt werden muß. Ein einigermaßen
ordnungsmäßiger Apothekenbetrieb ist auch dort nicht
durchzuführen. Aus diesem Grunde beabsichtige ich, die alte
Apotheke unter Benutzung der erhaltenen Bauteile wieder
aufzubauen. Ich lege den Bauplan mit Baubeschreibung und
Kostenüberschlag bei. Die Ausführung soll zunächst in
einfachster Weise erfolgen, die erforderlichen Baustoffe können
beschafft werden. Der Bau müßte sofort in Angriff genommen
werden und vor Winter unter Dach gebracht werden. Ich bitte
zunächst die grundsätzliche Genehmigung herbeizuführen, die
Unterlagen für das baupolizeiliche Verfahren werden sodann
eingereicht.“
Am 30. Juni 1945 richtete er ein zweites Gesuch an den Landrat mit einer ausführlicheren Begründung der Wichtigkeit des Neubaues:
„An den Herrn Landrat durch das Gesundheitsamt und
Bürgermeisteramt:
Infolge dervollständigenZerstörung meiner
Apotheke durch Brandbomben -es wurden alle Vorräthe, sowohl im
Keller, in der Materialkammer, den Nebenräumen und die gesamte
Einrichtung, auch im Laboratorium vernichtet- ist die Aufnahme
des Apothekenbetriebes auch behelfsmäßig fast unmöglich.
Vernichtet wurden alleGeräte, sodaß die Zubereitung von
Arzneien zum größten Teil nicht möglich ist.Es ist
nicht möglich, zur Zeit eine Abkochung oder eine sterile Lösung
zu bereiten, da hierzu alle Geräte und auch die Drogen und
Chemikalien fehlen. Es konnte nur eine Abgabe von den geringen
Mengen geretteter bezw. vom Gesundheitsamt zur Verfügung
gestellter Spezialitäten erfolgen, bis eben Geräte, Drogen und
Chemikalien wieder beschafft sind.
Zur Wiederaufnahme auch eines behelfsmässigen
Apothekenbetriebes sind unter allen Umständen
erforderlich:
1) ein Verkaufsraum,
2) ein Raum zur Herstellung einfacher Präparate, in welchem
sich auch eine Spülvorrichtung befinden muß,
3) ein Vorratsraum.
Die Apotheke muß heizbar sein, ebenso wird für den Arbeitsraum
ein Ofen benötigt, um einige galenische Präparate herstellen zu
können.
Zur Wiederaufnahme eines vollständigen Apothekenbetriebes
beantrage ich den Wiederaufbau meiner Apotheke in verkleinertem
Umfange. Die Genehmigung zu dem Bau wurde als nicht
vordringlich bisher abgelehnt. Falls die Genehmigung zum Bau
jetzt schnell erteilt würde, könnte nach Ansicht des
Bauunternehmers vor dem Winter wenigstens der Verkaufsraum
(Offizin) und das Laboratorium mit kleinem Vorratsraum
beziehbar sein.“
Der Bürgermeister der Stadt Steinfurt hatte aber wohl andere Sorgen, er meinte jedenfalls, er könne Karl Laureck mit einem einzigen größeren Raum auf der Wasserstraße hinreichend helfen. Dabei hatte er wohl keine Vorstellungen von dem Arbeitsablauf und den Vorschriften für einen Apothekenbetrieb, aber er setzte sich letztlich mit seinem Vorschlag durch:
„Der Bürgermeister der Kreisstadt Steinfurt, den 6. Juli
1945.
An die Firma Kessener, Burgsteinfurt, Wasserstraße.
Die Elefanten- Apotheke Laureck ist am 22. März 1945 total
ausgebrannt.
Seit diesem Tage wurde die Bevölkerung sowohl aus Burgsteinfurt
wie aus den Nachbarorten, die ohne Apotheke sind, durch die
deutsche Wehrmachtsapotheke in Burgsteinfurt mit versorgt.
Nachdem diese durch die Besatzungsbehörde übernommen ist,
werden nur noch in dringenden Fällen Medikamente an die
Zivilbevölkerung verabfolgt. Die Stadt Burgsteinfurt sieht sich
vor die Notwendigkeit gestellt, schnellstens die Einrichtung
einer Apotheke zu ermöglichen. Da es an sonstigen geeigneten
Räumlichkeiten fehlt, bin ich gezwungen, zur Beseitigung dieses
Notstandes auf Grund des § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes
vom 1.6.1931 (Gesetzsammlung S.77) Ihren Verkaufs- und
Lagerraum im Hause Niggeling Wasserstr. 20 in Anspruch zu
nehmen und der Elefanten-Apotheke Laureck zuzuweisen.
Die Einrichtungsgegenstände sind in den Räumen zu belassen, da
auch diese für die Apotheke beansprucht werden.
gez. Naber.“
Da für Karl Laureck die mangelnde Eignung der Räume außer jeder Diskussion stand, bemühte er sich weiter um eine Baugenehmigung, auch jetzt wieder in deutscher und englischer Sprache:
„Burgsteinfurt, den 17. Juli 1945
An das Arbeitsamt, hier.
Die Apothekenräume: Verkaufsräume, Laboratorium und Vorratsraum
sollen beschleunigt wieder aufgebaut werden, da andere
geeignete Räume nicht beschafft werden können. Dringendst
benötigt wird die Ergänzung der vernichteten Teile der
Apothekeneinrichtung, welche im Jahre 1938 von dem Tischler
Bernhard Hülsey, Lindenstr.50, angefertigt wurde. Ich bitte um
Freistellung dieses Tischlers, welcher z.Zt. für die Besatzung
arbeitet.
Sect.229.“
Nachdem aber bis Ende August 1945 keine Entscheidung über die Genehmigung des Wiederaufbaus der Apotheke gefallen war, wandte sich der Bürgermeister der Stadt Burgsteinfurt wieder an Karl Laureck:
„An Herrn Apotheker Karl Laureck, den 28. August 1945
Der Chefarzt des Reservelazarettes Burgsteinfurt hat
mitgeteilt, daß eine Übernahme der Wehrmachtapotheke durch Sie
nicht möglich sei und auch nicht die Zustimmung der britischen
Sanitätsbehörde finde. Wenn die Lazarettapotheke bisher die
Betreuung der Bevölkerung mit übernommen habe, so sei das
lediglich ein Entgegenkommen der Heeresverwaltung, das von der
britischen Besatzungsbehörde in keiner Weise geduldet und
dieser auch nicht bekannt werden dürfe, weil dann sofort mit
der Einstellung der vermehrten Lieferung von Medikamenten an
die Lazarettapotheke gerechnet werden müsse. Auch der
Stabsapotheker hat versichert, daß er nicht daran denke, hier
eine Apotheke für die Zivilbevölkerung aufzumachen. Es dürfte
jetzt an Ihnen liegen, alle Schritte zu unternehmen, damit
alsbald Ihre Apotheke, wenigstens behelfsmäßig, wie das auch in
den Großstädten geschieht, wieder eingerichtet wird. M.E. hätte
das auch in der Vergangenheit schon geschehen können, da Ihnen
der Raum in der Wirtschaft Niggeling, der jetzt von Ihnen
bezogen werden soll, wiederholt angeboten worden ist.
Mir wurde auch mitgeteilt, daß Ihnen vor einiger Zeit
Kindernährmittel sowie Alkohol und Zucker für die Herstellung
von Präparaten zugeteilt worden ist. Da es besonders an
Kindernährmitteln fehlt, dürfte es nicht angängig sein, diese
Ware zu horten. Schon aus diesem Grund wäre ich dankbar, wenn
ein behelfsmäßiger Verkauf alsbald eingeleitet würde.
gez. Naber.“
Dieser Brief des Bürgermeisters machte der Geduld von Karl
Laureck ein Ende, er setzte sich unverzüglich zu einem
Antwortschreiben hin, da er seine Probleme überhaupt nicht
verstanden fühlte:
An den Herrn Bürgermeister der Stadt Burgsteinfurt, den
31.8.45.
„Ihr Schreiben vom 30.d.M. veranlasst mich, folgendes zu
bemerken:
Man scheint der Ansicht zu sein, daß meine Absicht in dem einen
Raum des Hauses Niggeling eine behelfsmäßige Apotheke zu
errichten, die Apothekenfrage gelöst habe. Das ist absolut
nicht der Fall.
Es ist von mir ein Schritt der Verzweiflung, da die Stadt mir
keine besseren Räume zur Verfügung stellen kann. Es kann nur
eine vorübergehende Unterkunft sein, und da der Neubau meiner
Apotheke scheinbar noch längere Zeit nicht erfolgen kann, so
muß nach anderer Lösung weiterhin gesucht werden. Als mir zum
ersten Mal der Raum im Hause Niggeling genannt wurde, war
derselbe noch von Militär besetzt, später ergab sich, daß die
in demselben Hause wohnenden Mieter durch den Raum gehen
mußten, um in ihre Wohnung zu kommen; erst jetzt wird in der
Sode eine Tür gebrochen, wodurch dieser Übelstand behoben
wird.
Es fehlt ein genügender Lagerraum, ebenso ein kleiner Raum für
Laborarbeiten. Letzteren will ich beschaffen durch Abtrennung.
Die Ausführung von schriftlichen Arbeiten, Ausschreiben der
Rechnungen usw. ist in den engen Räumen unmöglich, sie müssen
abends in der Privatwohnung erfolgen. Ich muß einen Teil der
Ware 1) in der Garage Wippert 12, 2) im Gewölbekeller
Steinstr.32 (Entfernung 5 Min.) unterbringen. Beide Räume sind
feucht.
Die Umstände, welche es veranlassen, daß bisher noch nicht behelfsmäßig eine Apotheke errichtet werden konnte, sind 1) die vollständige Vernichtung aller Vorräte und Arbeitsgeräte durch den Brand, 2) die Unmöglichkeit, bisher dafür Ersatz zu beschaffen, 3) Tischler keine Arbeitskräfte hatten bzw. kein Holz zu beschaffen war. Einige Vorräte sind inzwischen hereingekommen, bzw. unterwegs. An meine nicht von Bombenschaden betroffenen Kollegen des Kreises bin ich schon vor einiger Zeit mit der Bitte herangetreten, mir doch durch Überlassung von überflüssigem Arbeitsgerät zu helfen. Diese Hilfe ist mir zugesagt, ich hoffe, etwas zu bekommen; im Handel ist noch nichts erhältlich. Der Raum im Hause Niggeling müßte noch instand gesetzt werden. Neben dem Brechen der Tür müssen Schäden im Raum durch Maurer ausgebessert, Lichtleitungen verlegt, Anstrich erneuert, Öfen aufgestellt werden. Die Maurerarbeiten sollten schon vor 10 Tagen erfolgen, da aber die Tür nicht so schnell zu beschaffen ist, kann die Arbeit erst am 4. Sept. beginnen. Es wird also noch einige Wochen dauern, ehe der Raum beziehbar ist. Die Unterbringung der Apotheke würde meines Erachtens durch Errichtung einer Wohnbaracke auf dem Grundstück Bergstr. (früher Installateur Elfers) durch die Stadt behoben. Beispiel ist die Wohnbaracke eines Friseurs an der Metelerstiege. Von meiner Seite ist bisher alles geschehen, um dem Übelstand des Fehlens einer Apotheke abzuhelfen. Wenn in anderen Städten behelfsmäßige Apotheken schnell wieder errichtet werden konnten, so liegt es daran, daß dieselben nicht alle Vorräte und Geräte verloren haben und ihnen geeignete Räume zur Verfügung gestellt werden konnten.”
Nach dieser Replik, mit der sich Karl Laureck alle seine Sorgen von der Seele geschrieben hatte, wurde die Behelfsapotheke nun bald fertiggestellt. Es war unglaublich, unter welchen Umständen in der Apotheke gearbeitet werden mußte. Dennoch waren alle Mitarbeiter froh, daß sie nun wieder zu tun hatten.
Das Zusammenarbeiten auf engstem Raum war manchmal auch lustig. So erlebten die Mitarbeiter, dass der einzige Wasserhahn plötzlich unter Strom stand, und jeder einen Schlag bekam, der das Wasser anstellen wollte. Nur die Hände der Putzfrau waren gegen den elektrischen Strom gänzlich unempfindlich, was sie auf die dicken Schwielen von ihrer harten Arbeit zurückführte.
Der Notdiensthabende konnte nicht in der Apotheke schlafen,
daher wurde Karl Laureck oder später sein Schwiegersohn Paul
Gustav Rose zum Dienst von der Bevölkerung aus der
Privatwohnung herbeigerufen, natürlich zu Fuß, da es weder
Telefon noch Auto gab. Das führte bei schlechtem Wetter und
Kälte zu häufigen Erkältungen, wie überhaupt die Mitarbeiter
und der Chef sehr unter den schlechten Arbeitsbedingungen
litten.
Am 26 November 1945 wurde daher beim Gesundheitsamt nachgefragt
„ob die Einrichtung eines Apothekennachtdienstes für
Burgsteinfurt notwendig erscheint: M.E. dürfte hierauf
verzichtet werden können, weil nach Eintritt der Sperrstunde
die Apotheke nicht mehr aufgesucht werden kann und im übrigen
die Ärzte mit den notwendigsten Medikamenten ausgestattet sind.
Die schlechten Arbeitsbedingungen kommen auch in einem
Schreiben zum Ausdruck, mit dem Karl Laureck erneut auf die
Dringlichkeit eines Neubaues hinwies:
„An den Herrn Regierungspräsidenten-Baulenkungsamt-Münster
i.W., d.d. Kreisbauamt Burgsteinfurt.
Burgsteinfurt, den 25.3.1947.
Antrag des Apothekeninhabers Karl Laureck, die Apotheke
Burgsteinfurt in den wichtigsten Teilen wiederaufzubauen.
Die Regierung Münster, Abt. Baulenkungsamt, bitte ich, den
Teilwiederaufbau der Apotheke Burgsteinfurt als eines der
vordringlichsten Bauvorhaben im Kreise bauwirtschaftlich zu
genehmigen, und zwar als wichtigste Teile das Keller- und das
Erdgeschoß des ausgebrannten Gebäudes. Die Befürwortung durch
den Bedarfsträger, das Staatl. Gesundheitsamt, liegt der
Regierung Münster bereits vor.
Die bisherigen außerordentlich zermürbenden Arbeitsbedingungen
der Apotheke in dem einzigen Raum sind versucht worden zu
ertragen in der immer wieder vertrösteten Hoffnung, daß der
Teilwiederaufbau der alten Räume in absehbarer Zeit vor sich
gehen könnte. Von vier in dem Betrieb Schaffenden mußten wegen
Überbeanspruchung zwei gänzlich, zwei längere Zeit krank
ausscheiden. Durch den Mangel an geeigneten Räumen sind
unersetzliche Vorräte dem Verderben ausgesetzt. Ich war niemals
Nationalsozialist, sondern schärfster Gegner.“
Karl Laureck wurde 1870 geboren, der Preußische Krieg gegen Frankreich 1870/71 begann in diesem Jahr. Er erlebte in seiner Jugend die später so genannten „goldenen Friedensjahre“ und übernahm die Elefanten-Apotheke in Jahren der Stabilität und Prosperität. Zehn Jahre später begann der erste Weltkrieg, an dessen Ende der Zusammenbruch des Kaiserreiches, Revolution, Anarchie und schließlich die Errichtung der Demokratie in Deutschland standen. Karl Laureck erlebte dann das erste Mal eine Inflation mit Verlust aller Ersparnisse (er sagte aber optimistisch: „Verlust aller Schulden“), daran anschließend Hitlers Diktatur und den zweiten Weltkrieg. Am Ende des Weltkrieges verlor er durch Bomben alles, was er aufgebaut hatte.
Seine erste Tochter Hildegard war streng auf die Nachfolge in der Apotheke hin erzogen. Sie hatte z.B. große Bedenken, ihren Freund und späteren Verlobten Paul Rose zuhause vorzustellen, da alle Sondierungen der Mutter und der Schwestern beim Vater Zornesausbrüche hervorriefen; der zukünftige Schwiegersohn schien ihm nicht akzeptabel. Erst nach der Hochzeit, der er nicht beiwohnte (er entschuldigte sich mit Nordienst), zu der aber als Abordnung der Familie Mutter und Tochter reisen „durften“, und nach der Geburt der beiden Jungen Rolf und Walter war ihm schließlich die ganze Familie in Burgsteinfurt und sogar der Schwiegersohn in der Apotheke willkommen.
Das strenge Regiment im Hause schilderte auch seine Tochter Ilse, die er nach einer Missetat solange um den Tisch herum verfolgte, bis sie vor Angst und Schrecken wie gelähmt stehenblieb und er sie fangen und züchtigen konnte. Auch sein Enkel Walter hat sich nach Auskunft der Haushälterin Toni Voß, verehelichte Usinger, eine Ohrfeige geholt, weil er statt zum Kindergarten zu gehen vor der Apotheke spielte. Frau Usinger sagte, sie habe mehr über die harte Strafe geweint als der gestrafte Enkel. Aber der war ja von seinem Vater ebenfalls ähnliches gewohnt.
Karl Laurecks Frau war in Burgsteinfurt als freigiebig und mildtätig bekannt. Sie besuchte arme Familien und versuchte ihre Not zu lindern, sicher auch im Einverständnis mit ihrem Gatten, der für die Bevölkerung eine strenge, aber gerechte Respektsperson war. Sie verstarb schon früh im Jahre 1937 an Krebs. Auch der einzige Sohn Wilhelm starb schon während seiner Lehrzeit als Fotograf im Dezember 1938. Er hatte als Kind eine Hirnhautentzündung durchgemacht und war deshalb anfällig geworden. Der Militärdienst hatte ihn dann weiter geschwächt.
Im Ort besuchte Karl Laureck gerne fast täglich die
Gesellschaft „Verein“ und organisierte als gebürtiger Ahrweiler
für die Mitglieder die Versorgung mit Wein. Karl Laureck
verbrachte seine Ferien in den von ihm geliebten Alpen. Er war
Mitglied des Alpenvereins und machte große Wanderungen, auch
mit Führern. Er erzählte gerne von den Gemsen, Murmeltieren,
von Edelweiß und Matterhorn, und seine Begeisterung für die
Alpen klang aus jedem Satz.
Er schloß seine Augen in der Ungewißheit über die Zukunft
seines Lebenswerkes, hoffte aber zuversichtlich, dass seine
Tochter mit ihrem Ehemann die Elefanten-Apotheke wieder
aufbauen würde.
Ein ehemaliger Mitarbeiter schildert ihn und seine Apotheke
folgendermaßen:
Aus „Lebenslauf und Erinnerungen eines Apothekers“ von Franz
Hermanns:
Die Elefanten-Apotheke:
„Die Apotheke wurde in vorbildlicher Weise von Apotheker Karl
Laureck geleitet. Nur war es etwas schwer, mit ihm zu arbeiten,
und die Zahl seiner gewesenen
Mitarbeiter hatte im Laufe der Jahre eine beträchtliche Höhe
erreicht. Von zwei Tagen bis zu zwei Jahren hatten sie es -so
wird erzählt- bei ihm ausgehalten oder umgekehrt er mit ihnen.
Es war ein vielseitiges und äußerst lebhaftes Geschäft, eine
gute alte Landapotheke in des Wortes vollster Bedeutung. In der
Zeit von Weihnachten bis Neujahr, wenn man in Westfalen die
„Iserkoke“ backt, wurden die Gewürze pfundweise umgesetzt.
Apotheker Laureck liebte, wie schon gesagt, die Abwechslung, und so wurde auch mir nach einem Jahr das Los meiner Vorgänger zuteil. Er kündigte, obwohl nicht das Geringste vorgefallen war. Die Sache war mir an sich etwas ärgerlich, doch hatte ich schon länger nach meiner Heimat, dem Rhein, Ausschau gehalten. Und da hatte ich Glück, Boppard schrieb mir und sagte sogleich zu. Kaum daß ich mich in Boppard niedergelassen hatte, brachte mir die Post aus Burgsteinfurt zwei Briefe. Ich möchte doch wieder zurückkehren. Erhöhtes Gehalt und sonstige Annehmlichkeiten wurden mir zugesagt. Doch ich mußte den ehrenvollen Ruf ablehnen. Trotzdem habe ich auch später mit Apotheker Laureck in den besten freundschaftlichen Beziehungen gestanden.“